Schweinekonzentrat und Terra Grundwerte


Die Ferkelfabrik in 17129 Alt Tellin, Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland, (agrarindustriell-umgangssprachlich: "Sauenzuchtanlage") wurde vor längerer Zeit von dem Holländer Adrianus Straathof in die Ostdeutsche Landschaft gebaut. Die Anlage, groß wie eine Fabrik mit entsprechendem Zu- & Abfahrtsverkehr durch LKW für Gülletanks, Kraftfutter aus dem brennenden Brasilien, anderem Zeug und 250.000 (!) Ferkeln im Jahr, besticht durch ihre optische Hässlichkeit und lässt einen Zusammenhang in Richtung "Bauernhof für glückliche Schweine" von vorne herein nicht entstehen.

So heißt es denn auch kühl "Ferkelproduktion" und man kann sich begrifflich noch an mehr solchen Betriebsangaben weiter hangeln ohne je etwas zu finden, was mit einer bäuerlichen Landwirtschaft oder gar ökologischem Bewusstsein zu tun haben könnte.

Straathof, wir kennen die Geschichte mittlerweile in Gänze, daher sei sie hier nur nochmal kurz angerissen, wurde dann vor einiger Zeit höchstrichterlich wegen Tierqual zu einem bundesweit geltenden Tierhaltungs- und Betreuungsverbot verdonnert, was letztlich zum Lizenzentzug auf Deutschem Boden für Schweinehaltung führte. Alle Informationen dazu finden sich hier auf dieser Webseite.

Was macht man dann nun, wenn man Herr über Millionen Schweine in Deutschland ist (die Anlage ist nur die Startkomponente einer ganzen Kette), man also Schweine hat, sie aber nicht mehr quälen darf?

Man gibt das weiter.

So wurde das Imperium des "Schweinebarons" (der Begriff stammt aus der Branche und ist googlebar) an die LFD-Holding übergeben.

Auf der Webseite werden die Betriebe genannt, was verwundert, denn auch die Betriebe in MV werden noch aufgeführt, obwohl sie mittlerweile wieder den Besitzer wechselten.

Die Hintergründe dafür sind so unklar, wie der Begriff LFD, zu dem sich nichts auf der Homepage findet.

Möglicherweise liegt es daran, dass die Anlage in Alt Tellin von einer Mehrheit der Bevölkerung nicht gewollt war und nur durch politische Winkelzüge realisiert werden konnte, vielleicht liegt es daran, dass die Anlage immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt, allein letztes Jahr gab es zwei beträchtliche, teils vertuschte schwere Betriebsunfälle, vielleicht liegt es aber auch daran, dass gegen die Genehmigungsbehörde für diesen industriellen Wahnsinn mit 10.500 Sauen in Kastenständen unter einem Dach, noch immer ein Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Greifswald (Kläger: BUND) anhängig ist, welches regelrecht verschleppt wird. Informationen & Presse hierzu findet man ebenfalls hier auf dieser Webseite.

Neuester Besitzer ist nun die "Terra Grundwerte AG" aus der Schweiz und nun wird es richtig interessant. War Straathof noch ein eiskalter Typ, dem es egal war, ob eine Maschine eine Schraube oder ein Schwein ausspuckt und ob es überhaupt eine Maschine oder ein Tier ist, mühte sich die LFD Holding schon etwas mehr, aber hauptsächlich um Imageverlust und maximale Schadensbegrenzung.

Nur wie es "LFD Holding" schon vermuten lässt, man weiß einfach nicht, vermieten die Wohnungen, verkaufen sie Waffen oder doch "Luxus Für Deppen"? Vertrauensvoll sieht jedenfalls anders aus.

Nun also ein Begriff der ganz nach vorne ins Ökobewusstsein geht, der Fundament, Mutter Natur und Weltgewandtheit suggeriert und neuer Besitzer ist:

"Terra Grundwerte AG" - und die kommen  sogar aus der Schweiz, dem Land glücklicher Kühe mit großen Glocken auf saftigen Almen im Abendrot!

Da sollte es dem Schwein, der Sau jetzt bestimmt phantastisch gehen und sämtlicher Zwist überwunden.

Doch man weiß nicht, ob es daran liegt, dass die Schweiz von hier aus so weit weg ist oder ob mal je jemand tatsächlich hier vor Ort war, jedenfalls: Geändert hat sich nichts!

Die Fabrik ist weiterhin eine Ferkelfabrik. Alle 10 Minuten biegt ein 40 Tonner von der Straße ab in Richtung Gelände oder vom Gelände auf die Straße in alle Richtungen. Noch immer "produziert" man Ferkel, was nichts anderes heißt, Sauen in Vorrichtungen zwangszubesamen, in "Abferkelbuchten" ihre Ferkel bekommen zu lassen, welche sie dann in Kastenständen stillen dürfen. Man kennt auch diese Bilder und man kennt auch die Diskussion und Julia Klöckners halbherzige "Tierwohlinitiative" dazu, welche an Zynismus kaum zu überbieten ist.

 

Manchmal ist es so, dass schwere Verbrechen an Mensch und Natur aus dem Fokus rutschen können, wenn das Unheil zum Beispiel weit weg oder hinter einem Stacheldrahtzaun passiert. Auch kann man sich ja nicht um alles kümmern, was schlimm ist. Wir Deutschen sind da leider etwas entspannt. Das Mittelmeer und andere Kriege sind weit weg und selbst bei den inländischen KZs ahnte man vielleicht etwas, aber solange man nicht selbst darin verschwand, musste es irgendwie ja auch weiter gehen.

So gab es hier immerhin mal eine Bürgerinitiative, die Veranstaltungen organisierte und den fassungslosen Menschen Halt und Perspektive gab. Ein sechs Meter hohes, rosafarbenes Protest-Stahlkreuz vor der Zufahrt zur Fabrik oder zum Lager zeugt noch davon. Auch den Prozess, die Recherche dazu, brachte die Initiative zu Stande, alles verbunden mit einem sehr hohen finanziellen Aufwand, bezahlt aus eigener Tasche.

Doch die Initiative liegt heute brach, die Mitstreiter*innen sind entkräftet, man wird älter, reifer, vielleicht auch resignierter.

Gegen einen Baron, das ging noch, aber gegen eine Holding und nun gegen eine Aktiengesellschaft, was will man da noch tun, wenn Politik und angebliche Systemrelevanz hinter diesem Schweinesystem stehen?

Einzig übrig geblieben ist eine zarte, manchmal aber kräftige Mahnwache, geleitet von einer einzigen taffen Frau, die dort am Eingang immer wieder Montags ihr Protestschild um 17 Uhr aufbaut. Zu ihr gesellen sich weitere Menschen und dann steht man da und schaut auf den unfassbaren Abgrund, geschaffen vom Menschen, gegen das Tier und gegen die ganze Natur.

Ja, gegen die ganze Natur, auch die meine, denn dieses Jahr war ein besonderes, welches Erinnerungen an diese Pest der Massentierhaltung verursachte und die Sinne tatsächlich schärfte, da der sehr oft von Norden blasende Wind einen Gestank in die Atemwege der Anwohner*innen trieb, dass es auch mich selbst, einmal Nachts um drei im Schlaf aufspringen ließ.

Noch nie war ich vorher in meinem Leben von Gestank aufgewacht. Von Licht oder Berührung, klar, das kennt man, aber von Gestank?

Zuerst wusste ich nicht, was genau los war, meine Nase und mein Rachen waren trocken und ein ekliger, klebriger Film schien darauf gelegt. Dann spürte ich es. Ein hochgradig ätzendes Konzentrat war in meine Lungen gedrungen und bohrte sich weiter hinein.

Die Dachfenster des Schlafzimmers standen wegen der Hitze weit offen und der Gestank der Ferkelfabrik wabberte herein.

Ich sage bewusst nicht, der Gestank der Schweine, auch wenn Schweine sicher stinken können, nein, mir hämmerte eine unerträgliche Wolke einer giftigen Fabrik mit ihren Ausdünstungen in Nase und Kiefer.

Entsetzt griff ich mein Bettzeug, verlor es auf dem Treppenabsatz und rutschte in die Badewanne um einfach nur aus der Brause kaltes Wasser in mich hinein und über mich hinweg laufen zu lassen. Ich fühlte mich verseucht, angegriffen, auf das übelste misshandelt und wurde nicht klar im Kopf. So etwas hatte ich noch nie erlebt und es war einfach nur schrecklich, denn ich musste auch sofort an die armen Schweine denken, die im Gebäude, ein Stall ist das nicht, bei 32°C Außentemperatur tagsüber geparkt sind und vor sich hin vegetieren.

Ich legte mich dann kellerartig bei geschlossenen Fenstern ab und konnte nicht mehr einschlafen, da ich gedanklich zu beschäftigt war.

Wie kann das sein, dass wir Menschen uns und unseren Tieren so etwas antun? Was ist da bloß schief gelaufen, dass aus einem Bauernhof, der aus vielen verschiedenen Tieren und Menschen bestand, so ein hochgiftiges Konzentrat entstehen konnte? Einer der Unfälle letztes Jahr hatte auch mit Schwefelsäure zu tun, welche wohl für die Filteranlagen benötigt wird. War da wieder etwas mit passiert? Hatte ich gar nicht Schweinepisse, sondern Schwefelsäure eingeatmet? Oder beides? Kommt das dann wieder irgendwann mal als Randnotiz heraus? Warum "produziert" Deutschland Schweinefleisch unter Schweizer Hand für den Chinesischen Markt? Wo bleibt da noch Platz für den Menschen dazwischen, wenn eine Gemeinde Platz für 10.500 Sauen einräumt, selbst aber nur 390 Einwohner hat?

 

Und wie ist es möglich, dass so etwas betrieben wird, von einer Aktiengesellschaft, die sich "Terra Grundwerte" nennt und ein grünes Blättchen als Logo hat? Wer legt da sein Geld an und wer schöpft Rendite aus Tierleid, Schweinepisse, Schwefelsäure und dem Leid an Tier und Mensch?

Und: Wie kann es sein, dass diese Perversion noch immer in Betrieb ist, obwohl ihr Erfinder mittlerweile gesetzlich verurteilt und verjagt wurde?