· 

1. Jahrestag LFD-Inferno Alt Tellin

In wenigen Tagen, am Mittwoch, dem 30. März, jährt sich erstmals die Brandkatastrophe „Europas ehemaliger größten Sauenzuchtanlage“. In der Tierfabrik wurden Schweine von der LFD-Holding/ Terra Grundwerte AG bei 17129 Alt Tellin, Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland "produziert". Daher hieß der Ort bezeichnend Ferkelfabrik. Am 30.3.22 ist für viele Menschen hier

 

Jahr 1 n. Straathof, Alt Tellin

 

Bei dem Großbrand, mittlerweile als „Fukushima der deutschen Agrarindustrie“ bezeichnet, einem Inferno, erinnernd an brennende Ölquellen aus dem Irakkrieg, mit einer Rauchgasentwicklung bis zur Ostsee, starben innerhalb weniger Stunden fast 60.000 Tiere, darunter etwa 9.000 Muttersauen und ca. 50.000 Ferkel. Sie verbrannten bei lebendigem Leib.

 

Die bereits agrarindustriell-leidgeplagten Menschen vor Ort waren, ob der ohrenbetäubenden Todesschreie der Tiere, einer offensichtlich hilflos wirkenden freiwilligen Feuerwehr, in Anbetracht dem dichten Qualm und Gestank schockiert – obwohl nur das passierte, was in der deutschen Agrarindustrie und Massentierhaltung möglicherweise einfach normal ist und in die Billigfleischproduktion eingepreist wird: ca. sieben „Stallbrände“ täglich!

 

Kurz nach der Katastrophe, die laut Betreiber und der Genehmigungsbehörde als unmöglich galt und die bis heute von Seiten der Gesellschaftsverwaltung (Behörden, Staatsanwaltschaft, Ministerien, Gutachtern,...) mit „Kein Technischer Defekt“ abgearbeitet wird, brannte es fünf Tage später, am Ostersonntag, schon wieder in einer ähnlichen Anlage in Sachsen-Anhalt, in einem 45.000er „Stall“.

 

Trotzdem beharrt man zur Brandursache weiterhin auf „mögliche Brandstiftung“, denn es gilt seitens „des Systems“, das letztlich aber wir alle sind, die Maschine nicht an und in sich in Frage zu stellen. Hier, wie auch an anderen Stellen in der Industrie, braucht es immer noch den „Einzelfall“ (siehe auch Atomunfälle, Abgasvertuschungen, Finanzskandale etc.) und das sogenannte und hier treffliche „Bauernopfer“. Wobei es um so absurder erscheint, Vorsatz oder Fahrlässigkeit zu vermuten, da Tierfabriken gefängnisartigen Hochsicherheitskomplexen mit vielen Vorschriften und Überwachungssystemen  gleichen und der schlecht bezahlte osteuropäische Fleischarbeiter sich selbst sicher nicht die bittere Einkommensbasis entziehen will. Des Weiteren brannte es am 30.3.21 ab morgens ca. 8:30 Uhr im laufenden Betrieb an einem Dienstag und nicht etwa in mondloser Nacht am Wochenende.

 

 

Das ganze Jahr 2021 brauchte dann ein Abrissunternehmen, um hinter Sichtschutzzäunen (die Angelegenheit ist peinlich), mit viel Lärm und LKW-Verkehr den 2.000 Tonnen, mit Baustoffen kontaminierten Fleischmatsch, zu Sondermüll deklariert, mit Abrissbaggern „zurückzubauen“ und zu entsorgen. Auch das ein Hinweis auf die schier unvorstellbare Größe der Tierfabrik.

Bis heute, also ein Jahr später, suchen laut Staatsanwaltschaft Stralsund, zur Verwunderung vieler Fachleute, immer noch Beamte der Kriminalpolizei Anklam gewissenhaft nach der Brandursache auf den verrusten Betonspaltenböden des Fabrikgeländes, dass nicht, wie man annehmen würde, über eine eigene Werksfeuerwehr verfügte. Es sollten auch, laut Staatsanwaltschaft und Presse nochmal Zeugen befragt werden, die vor Ort waren, aber gehört hat man hier in der Region nichts davon. Man hört sowieso wenig bereicherndes zur Aufklärung oder sogar Verantwortung, sei es vom Landkreis, warum er keine Spezialfahrzeuge der Feuerwehr zu Verfügung stellte oder zügig Bodenproben entnahm (Greenpeace fand später dioxinbelastete Asche weit auf den Äckern verstreut). Sei es aus der Politik, in der man hauptsächlich damit beschäftigt scheint Verantwortung von sich zu weisen und alles zu vertagen. Auch warum das Verwaltungsgericht Greifswald den Prozess gegen die Genehmigungsbehörde StaLU, MSE nach dem ersten Prozesstag, trotz angekündigtem Arbeitswillen im Jahr 2017 einfach einschlafen ließ – bis heute ein Rätsel! Zumal der Klagegrund, es ist schon fast Realsatire, wenn es nicht so unendlich traurig wäre, doch tatsächlich MANGELNDER BRANDSCHUTZ seitens des Betreibers und Fahrlässigkeit dazu bezüglich der Genehmigung seitens der Behörde war (und ist!).

 

Bis heute gibt es kein abschließendes Gutachten zur Brandursache, selbst Minister Backhaus, einst Befürworter von Tierfabriken zeigt sich zunehmend irritiert.

 

 

 

Waren die Menschen in der Umgebung nun bald 10 Jahre gewohnt von Futtermittelsattelschleppern ua. mit Soja aus Brasilien und Güllebombern im Fünf-Minuten-Takt genervt zu werden, gestaltete die LFD-Holding selbst das Finale zu einer unerträglichen Belastung für die Allgemeinheit durch den Gestank der Verwesung im vorpommer’schen Wind des warmen Sommers. Es ist wirklich unfassbar und für Außenstehende kaum nachvollziehbar, mit welcher Dreistigkeit sich Betreiber von Massentierhaltung über das Gemeinwohl hinwegsetzen, allerdings alles im Rahmen der Gesetze - schlechter Gesetze von CDU und SPD mit dem Bauernverband im Nacken.

 

Eine spätere Aussage der LFD lautete sinngemäß: Mehr Brandschutz ist schlecht fürs Geschäft. Allerdings ist viel Wahnsinn, Vorsatz und Überheblichkeit ebenfalls sehr schlecht fürs Geschäft: Der Ruf des Unternehmens befindet sich im Keller, die Gemeinde wird einem eventuellen Neubau nicht zustimmen, sogar die Betriebserlaubnis soll entzogen werden, die zahllosen Klagen gegen das Unternehmen werden eben solches noch lange beschäftigen, wie vielleicht auch der entstandene Schaden von ca. 40.000.000 Euro. Zudem geht in Anbetracht dieser Tierhaltungsformen der Trend WEG VOM FLEISCH mittlerweile immer zügiger voran und der Preis für Schweine ist so tief wie nie. Angeblich will in Deutschland jeder zweite Betrieb hierzu aufgeben oder hat es schon getan. Würde man sich bezüglich einer gesamten Aufarbeitung zur Schweinefleischproduktion, erst recht zu der vom Erfinder der Fabrik

-Straathof-

mit ALLEM befassen, müssten eigentlich alle Tierfabrikbesitzer*innen umgehend die Tore öffnen und die Tiere über einen roten Teppich mit gesenktem Haupt ins Freie in den Wald begleiten, wo ihr natürlicher Lebensraum ist. Konventionelle Tierhaltung ist mittlerweile zur indiskutablen Perversion verkommen, auch wenn eilig herbei gedichtete "Tierwohllabels" dem unkundigen Verbraucher anderes suggerieren sollen.

Sie sollten es auch deshalb tun, weil die Neben- und Folgekosten, ähnlich wie bei Betreibern von Kernkraftwerken zwar versteckt, aber immer offensichtlicher werden. Bei der Massentierhaltung ist es eben nicht Atommüll und Strahlung, hier sind es kaputte, überdüngte Böden, Monokulturen, Grund- und Trinkwasserbelastungen, kaputte Bäche und Flüsse, Artensterben, Tierleid, schreckliche Tiertransporte, "Schutzzäune" vor Krankheiten, Antibiotikaverbrauch  in Massen und Antibiotikaresistenzen und so weiter und so fort.

Am Jahrestag, Mittwoch, dem 30.3.22, zufällig (oder nicht?) auch Eröffnungstag der Agrarministerkonferenz in Magdeburg, werden sich vor der Ruine der Tierfabrik und den schäbigen Betontürmen, der nicht explodierten Biogasanlage, viele Menschen, sei es als private Anwohner/in oder organisiert in Verbänden und Initiativen, aber auch Kläger, der BUND, der Tierschutzbund, Vertreter/innen des Gemeinderates Alt Tellin, der Kommunal-, Landes- und sogar Bundespolitik an der Kreisstr. 29, 17129 Alt Tellin zum Gedenken und zum Beraten versammeln. Eine Tierfabrik will hier keiner, auch keine mit Abwrackprämie aus Steuergeldern verkleinerte, auch ein "Modellstall 4.0" wurde als verzweifeltes Greenwashing erkannt und wird abgelehnt. Die Menschen vor Ort wollen eine bäuerliche Landwirtschaft, die woanders selbstverständlich praktiziert wird und sie wollen das Tiere anerkannt werden und nicht dem Produkt einer Schraube gleichen, mit einem jährlichen Ausschuss von 13.000.000 Tieren für die Mülltonne, weil so eben "produzieren" geht.


Bereits am Morgen des Tages, wird gegenüber dem Fukushima der Agrarindustrie, wo bereits einem Mahnmal gleich, seit Jahren ein sechs Meter hohes Protestkreuz steht, der erste Baum an der Straße als Beginn für eine ganze Allee, vielleicht sogar für einen Klimawald auf dem Gelände selbst, gepflanzt.


Nach nun einem Jahr zuhören, was Minister Backhaus zu dem Drama sagt, was andere Politiker dazu sagen, was Behörden, Kreise, Kommunen, Bürgermeister, die Landwirtschaft selbst und wer noch alles sagt, steht fest:

 

Kurios! Niemand wollte (im Nachhinein) das Ding haben! 😳

 

Doch "aufgrund unerklärlicher Umstände" kam es seltsamerweise trotzdem. Schluss mit dem Spuk! Vorbei! In Alt Tellin und überall, denn wie nun bekannt wurde, gleicht eine konventionelle Tierfabrik der anderen, in Bauart, Tierqual und mangelndem Brandschutz.


Herzen auf – Tierfabriken zu!

 


Offizieller Start der Mahnwache ab 17 Uhr.

 

Text: Karsten Behr/ https://www.alttellin.info
Bilder: Aktionskreis Alt Tellin, Karsten Behr