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Texas schlauer als Vorpommern ?

Darf in Vorpommern nicht sein, was in Texas logisch vermutet wird?

Diese Frage rückt unweigerlich ins Bewusstsein, wenn man die Nachricht zum größten Unfall in der Massentierhaltung der USA, mit dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Stralsund, zum Umgang mit dem größten Unfall in der Massentierhaltung in Deutschland vergleicht.

Anfang April '23 passierte in Dimmitt/ Texas das, was Vorpommern am 30.3.21 in Alt Tellin erlebte: Der Super-GAU der agrarindustriellen Massentierhaltung. Wo im Nord-Osten Deutschlands über 50.000 Schweine der LFD-Holding/ Straathof/ Terra-Grundwerte-AG in Flammen aufgingen,

verbrannten im Süd-Westen der USA  18.000 Rinder auf der South Fork Dairy Milchfarm.

Vermutet wird von Behörden in Texas, da man System und Betrieb der mittlerweile üblichen, agrarindustriellen Megastallmaschinerie kennt, eine Methangasexplosion, entzündet durch einen mechanischen Defekt eines Gerätes.

 

Auch in Alt Tellin lag dieser Verdacht unter Sachkundigen und Fachleuten in Hinsicht auf Bauweise (Spaltböden/ Güllekanäle/schlampige Konstruktionen, etc.) und jahrelanger Warnungen, recht zügig auf dem Tisch, wurde aber zur allgemeinen Verwunderung, seitens der ermittelnden Staatsanwaltschaft Stralsund, vielleicht in Hinsicht auf das vertändelte Anklageverfahren beim Verwaltungsgericht Greifswald [der Megastall Alt Tellin und die Genehmigungsbehörde StaLU  standen  seit 2012 unter Anklagebeschuss, fanden vor Gericht jedoch kaum Beachtung], als weniger wahrscheinlich abgetan.

Bei der Staatsanwaltschaft vermutete man zügig und sicher "fahrlässige Brandstiftung", welche dann aber von einer "nicht zu ermittelnden Person" verursacht sei.

Die fast zwei Jahre nach dem Brand vorliegende Abschlusskundgebung der Staatsanwaltschaft Stralsund zum "Fukushima der Deutschen Agrarindustrie", lässt die Lesebrille vor Wut und Entsetzen über den Inhalt, der Satzverschachtelungen und tendenziösen Schlussfolgerungen vernebelt beschlagen.

So heißt es:

Los geht es mit "den umfangreichen Ermittlungen", welche bei der Bevölkerung nicht ganz so wahrgenommen werden konnten. Es liegt unfassbar viel Video- & Bildmaterial des Brandes vor - ab morgens, als erste Einwohner mit Kamera vor Ort waren.  Vieles davon auch hier auf dieser Webseite zu finden. Auch auf Youtube findet man einiges an Material dazu, wo, wie und wann sich das Feuer, möglicherweise auch an mehreren Stellen gleichzeitig ausdehnte.

Hierzu erscheint die 30km entfernte Kriminalpolizei im Grunde so überfordert mit Materie und Vorgang (was ihr kaum vorgeworfen kann), wie die ähnlich weit angefahrene Freiwillige Feuerwehr, welche dem Tathergang auch nur irritiert folgen konnte und das schwerindustrielle Fabrikgelände zugunsten der Rettung der angrenzenden Biogasanlage mit eben über 50.000 Muttersauen & Ferkeln  abbrennen ließ. "Kontrolliert" natürlich...

 

Beim Schreiben der Staatsanwaltschaft Stralsund fällt sofort auf, dass man sich NUR auf Brandstiftung konzentrierte. Warum eigentlich? Weil schon das Verwaltungsgericht Greifswald und die Genehmigungsbehörde StaLU, welche später im Schreiben nochmal in Schutz genommen wird, am Bauplan und Konzept des Megastalls schlichtweg versagte? Oder weil das Versagen in Wirklichkeit mehr ein Wegschauen war, da das, zu 2.000 Tonnen Fett- und Dämmstoffmatsch verkohlte Projekt "Veredelung" politisch von Minister Backhaus gewollt war?

Veredelungswirtschaft für Schweinefleisch nach Minister Backhaus (SPD), MV

Also gut, wenn man sich ausschließlich auf eine Art Brandstiftung konzentriert und um so besser, wenn dann nach bald zwei Jahren Recherche der Feuerteufel doch nicht auf eingeschlagenem Pfade gefunden werden konnte. Das hilft.

Auch interessant, dass es einen "beauftragten Brandursachenermittler" gibt, der etwas diffus im Schreiben bleibt und seltsam, dass nicht erstens mehrere Brandursachenermittler (immerhin beim größten Unfall dieser Art in Deutschland) beauftragt wurden und zweitens nicht einfach die Fachleute gefragt wurden, die sich eh bereits in Interviews zur Sache geäußert hatten. Aber die Tagesschau berichtete ja auch erst drei Monate später, bzw. gar nicht - es waren die Tagesthemen, abends um halbelf am 30.6.21

Am Abend der Katastrophe, war der Tagesschau ein Zugunglück in Taiwan relevanter. Wäre  bei Volkswagen in Wolfsburg ein Stapel Autoreifen verbrannt, hätte es am Abend (Wortspiel) einen Brennpunkt gegeben.

Der Beauftragte dann, konnte weder ermitteln, WO das Feuer ausgebrochen ist und WIE das Feuer ausgebrochen ist. Seltsam - zum einen zeigen Videos ziemlich deutlich einen oder zwei sichere Brandherde, zum anderen stellt sich die Frage, dass wenn nicht das WIE ermittelt werden konnte, dann überhaupt Brandstiftung die Ursache sein soll. Denn ohne ein geklärtes WIE, kann es ja ALLES sein. Vielleicht ein Blitz aus heiterem Himmel? Eine kiffende Sau? Oder vielleicht etwas mechanisches, irgendwas mit der Lüftung, mit der Elektrik, mit den Gasen? Man weiß es nicht. Nichts hat zur Aufklärung beitragen können. So ein Pech! Also KANN es ja nur Brandstiftung sein - so die Logik der Staatsanwaltschaft Stralsund. Jedoch hätte man dann aber in der Asche einen fabrikneuen Personalausweis finden müssen, aber soweit wollen wir jetzt nicht denken...

Doch um den verdutzten Bürger zu versöhnen, dass man seitens der Staatsanwaltschaft nichts aber auch gar nichts weiß, kann aber doch dann wiederum "ein vorsätzliches oder fahrlässiges Inbrandsetzen der Anlage nicht ausgeschlossen werden". Also in diesem Falle, der aber eigentlich so relevant, wie alles andere auch ist also, durch Mitarbeiter, unbekannte Dritte, Brandbeschleuniger, sogar ZEITVERZÖGERNDE ZÜNDMECHANISMEN !! Hört hört! Der Blitz steht hier wohl nicht, weil man Wetterberichte nachlesen kann und kiffende Säue einen Hinweis auf die schlechte Unterbringung in der Massentierhaltung geben könnten.

Aber, Sie ahnen es sicher schon, auch zu all dem haben etwaige Ermittlungen keinen konkreten Hinweis ergeben. Was ein Pech. Wer sowas noch verrückter haben will, muss wohl Tatort gucken.

 

Moment! Es geht noch verrückter! Jetzt kommt im Schreiben der Staatsanwaltschaft doch ein Hinweis auf das "seit mehreren Jahren" anhängige Klageverfahren gegen die Genehmigung beim Verwaltungsgericht Greifswald, in dem ausgerechnet der mangelnde BRANDSCHUTZ Top-Klagepunkt war und ist!

Die Staatsanwaltschaft sagt, dass sie da nochmal hingeschaut habe, weil da doch was war.

Aber: Nein, auch hier alles okay, man (das Verwaltungsgericht) habe sinngemäß übersetzt, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt - sei es bei der Genehmigungsbehörde im Vorfeld oder beim Betreiber in der halbherzigen Nachschau.

Nun wissen aber sachkundige Prozessbeobachter, dass die Klage 2012 eingereicht wurde, dass das Verfahren jedoch erst 2017 eröffnet wurde, dass der Prozesstag sechs Stunden dauerte und dass dann der Richter damals meinte, er müsse aufgrund der Komplexität der Angelegenheit das Ganze auf einen weiteren Prozesstag vertagen. Und nun halten Sie sich fest! Es kam nie zu einem zweiten Prozesstag!

Der Prozess wurde nicht unter- sondern einfach so abgebrochen. Ganz heimlich, still und leise. Es wunderten sich alle! Enthusiasten mit Vertrauen in die Justiz dachten damals im März 2017, okay der Richter braucht jetzt ein paar Tage, dann geht's weiter. Realisten wussten schon, naja, das kann jetzt ein paar Wochen dauern, vielleicht Monate. Doch es kam ganz anders, denn es kam... nie wieder. Es fand mitten im Prozess, mitten in der Anklage einfach keine weitere Fortsetzung des Prozesses statt. Einfach so!

Was aber stattfand war, dass sich irgendwelche Anwaltschaften rund um die Beklagten (StaLU/ LFD) zurückzogen und neue Anwaltschaften sich erst "neu sortieren müssten hätten sollen tun".

Nebenbei aber hatte auch stattgefunden, dass Schwerverbrecher Adrianus Strathoff, holländisches Genie der Schweinequal durch Effizienz (wieviel Schwein passt auf den Quadratzentimeter?), mittlerweile von einem anderen Gericht in Sachsen Anhalt, so dermaßen überführt worden war, dass man ihm deutschlandweit (!) ein "Tierhaltungs- und Betreuungsverbot" auferlegt hatte. Zu deutsch: landesweites Berufsverbot - für immer!

Vielleicht war man da bei Gericht ganz froh? Aus den Augen aus dem Sinn? Allerdings war da schon bereits das ganze Imperium des Schweinebarons Straathof (der heißt wirklich so!) in eine "Holding" (was seriöser klingen soll) der LFD überführt worden. Der lupenreine Weißwascher kam dann, als der ganze Wahnsinn der industriellen Massentierhaltung der LFD von der Schweizer "Terra-Grundwerte AG" während einer Einkaufstour global agierender Hedgefonds oder ähnlich undurchschaubarem Finanz-Gedöns aufgekauft wurde. Man merke: Im spätindustriellen Turbokapitalismus ist das Unternehmen wahrscheinlich noch abgründiger, je hübscher der Name. Zu vergeben, für die auf Betonspaltenböden geklatschten, neugeborenen Ferkel, wäre vielleicht noch der Begriff "Happy Schwein" im Angebot.

Zurück zum Schreiben der Staatsanwaltschaft Stralsund, die sich bis hier hinter die Ermittlungsbehörden stellt (die zwei Jahre nach dem Feuerteufel akribisch suchte), hinter die Justiz aus Greifswald stellt (die nach dem ersten Prozesstag keine Lust mehr hatte), hinter die Genehmigungsbehörde stellt ("sie sei überzeugt gewesen"), hinter Brandschutzsachverständige stellt (die das, was nun Schutt und Asche ist, als "sichergestellt" und "erfüllt" absegnete), nun, die einfach alles und jedem den Rücken stärkt, was mit Massentierhaltung in Vorpommern zu tun hat.

Doch für den Fall und einer doppelten Absicherung kommt aber noch ein Statement dazu, dass man dem ganzen Apparat wohl am besten alles und jedes verzeihe: Heute wisse man mehr! Nachher ist man immer schlauer!

 

Wir machen hier zur Aufmunterung eine kurze Pause:

 

Obwohl das abgesegnete Brandschutzkonzept (immerhin 99 Seiten stark) DAMALS ja völlig logisch, klar, durchdacht, bald bibelgleich nicht mal von Gott hätte in Frage gestellt werden können, weiß man heute: Es war Scheisse! Und der Grund dafür war - O-Ton -, dass die "verantwortlichen Personen der Genehmigungsbehörden und Betreibern der Schweinezuchtanlage nicht widerlegen, dass sie auf das Brandschutzkonzept vertrauten und SUBJEKTIV überzeugt waren", was nun schlussfolgerichtig dazu führe, dass daher im Nachhinein keiner konkreten Person irgendetwas anzulasten sei.

 

What ??? Moment mal, ich goolgle mal rasch SUBJEKT...

  1. 1.
    Philosophie
    mit Bewusstsein ausgestattetes, denkendes, erkennendes, handelndes Wesen; Ich
    "zu einem verantwortungsvollen Subjekt heranwachsen"
  2. 2.
    Sprachwissenschaft
    Satzglied, in dem dasjenige (z. B. eine Person, ein Sachverhalt) genannt ist, worüber im Prädikat eine Aussage gemacht wird; Satzgegenstand
    "grammatisches, logisches Subjekt"

 

Also obwohl tatsächlich, vorhandene, genehmigende PERSONEN (Subjekte, die es heute noch gibt) "subjektiv überzeugt waren", ist diesen Personen nichts nachzuweisen, obwohl sie alles genehmigten, was trotz zigfacher Warnungen zu einem immensen Schadensfall und unermesslichem Tierleid geführt hat? Sei es im zwölf Jahre andauernden Betrieb für die Säue, die Ferkel, die Umwelt (Gülle/ Überdüngung), die Anwohnerschaft (24/7 Schwerlastverkehr, Gestank, Wissen um das Leiden der Tiere, Machtlosigkeit), bzw. dann in der totalen Vernichtung durch Feuer und Erstickung?

 

Vielleicht hilft ja doch noch zur Aufklärung ein aktueller Artikel des Nordkuriers, der zu diesem Blogbeitrag inspirierte, weil er zur Explosion in Texas berichtete und der nicht uninteressant im letzten Abschnitt meint:

"Ein vergleichbarer Vorfall hat sich am 30. März 2021 auch in der Mecklenburgischen Seenplatte ereignet. Bei einem Großbrand in der Schweinezuchtanlage Alt Tellin wurden alle Stallanlagen zerstört. Ungefähr 50.000 Tiere sind dabei ums Leben gekommen."

 

Ein     v  e  r  g  l  e  i  c  h  b  a  r  e  r     Vorfall...

 

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